Künstliche Intelligenz ist in aller Munde – und in vielen Händen. Texte, Bilder, Videos, Musik, Codeschnipsel: KI generiert, was das Zeug hält. Ganze Kommunikationsabteilungen und Agenturen experimentieren, automatisieren, integrieren. Doch wer glaubt, KI ersetze das Denken und damit den Menschen, der macht einen folgenschweren Fehler. Denn wo es wirklich zählt, sind Menschen der Maschine nach wie vor überlegen. Und das wird auch so bleiben.
1. Die große Illusion: Alles Wesentliche steht irgendwo
Viele KI-Enthusiasten – nennen wir sie freundlich: Optimierer – glauben, man müsse nur die richtigen Prompts kennen, um alles Wissen der Welt zu erschließen. Doch diese Grundannahme ist falsch. Die meisten wirklich bedeutsamen Einsichten sind gar nicht aufgeschrieben. Sie entstehen in Gesprächen, durch Erfahrung, im Austausch, aus Bauchgefühl. Sie stecken in Haltung, Intuition, Kontext. Sind sind schlicht „implizites Wissen“ („tacit knowledge“).
KI kann diese Ebenen nicht erschließen; sie liegen außerhalb der Trainingsdatensätze. KI halluziniert, wenn Kontext fehlt. Und KI weiß nicht, was fehlt – das müssen wir Menschen ihr sagen. Oder besser: erspüren.
2. Kreativität schlägt Promptografie
Natürlich, es gibt beeindruckende Beispiele für Prompt-Kreativität – eine neue Disziplin, die bereits eigene Wettbewerbe und Selbsthilfeforen kennt. Doch es bleibt dabei: Ohne Idee kein Ergebnis. Ohne Ziel keine Richtung. Und ohne Gefühl kein Gespür für das, was den Unterschied macht.
Nur wer gute Ausgangsbedingungen erkennt und benennen kann, wird mit KI zu nützlichen Ergebnissen kommen. Das ist das wahre Handwerk kreativer Kommunikation: Ideen entwickeln, Annahmen treffen, Hypothesen testen, Perspektiven wechseln – das bleibt menschlich. Und wertvoll.
3. Die Effizienzlüge: Rebound statt Fortschritt
Ja, KI macht Kommunikation effizienter. Aber: Je mehr Content produziert wird, desto höher ist der Selektionsdruck. Mehr erzeugt nicht mehr Wirkung, sondern mehr Lärm, mehr Rauschen. Guter Content setzt sich nicht durch Masse durch – sondern durch Passung, Überraschung, Relevanz. All das ist schwer zu automatisieren.
Die Folge: Während generische Inhalte von KI überflutet werden, steigt der Wert exzellenter, originärer Kommunikation. Wer heute überzeugen will, braucht weniger Maschinen, sondern vielmehr Menschen mit Ideen, Haltung und Überblick.
4. Die neue Kommunikationskluft: KI-Divide
KI verstärkt Unterschiede. Wer Ahnung hat, wird produktiver. Wer keine Ahnung hat, bekommt Müll. Das gilt in der Kommunikation besonders. Wer seine Zielgruppe nicht kennt, seine Markenidentität nicht reflektiert, seine Botschaft nicht durchdrungen hat – der wird mit KI nur schneller irrelevanten Bullshit produzieren. Sicherlich wird es Abnehmer geben, doch die gibt es auch für die eingeschweißte, vorgeschnittene, in Konservierungsmitteln getränkte Cervelatwurst für 99 ct beim Discounter. Und das ist nicht gerade das, was viele unter exzellenter Kommunikation verstehen.
Yuval Harari hat ein grundlegendes Problem treffend beschrieben: Wir verlieren die Fähigkeit, zwischen Bullshit und Substanz zu unterscheiden. Und wenn alle alles sagen können, wird Orientierung zur neuen Währung.
Gute Kommunikation heute braucht daher: Validierung. Struktur. Priorisierung. Haltung. Und Menschen, die sagen können: Das ist wichtig. Das ist richtig. Das ist neu.
5. Warum gerade jetzt mehr kreative Beratung gebraucht wird
KI wird Contentmarketing nicht vergünstigen – sondern, ganz im Gegenteil, teurer machen. Wer keine klaren Ideen, keine starke Markenstory und keine inspirierenden Umsetzungen bietet, hat bald keinen Grund mehr, warum Menschen überhaupt noch auf seine Website kommen sollen. Chatbots beantworten die Fragen ja ohnehin. Aber sie erzeugen keine Begeisterung. Sie kanalisieren nicht, orientieren nicht, und eine Haltung liefern sie schon gar nicht.
Was meine Klienten heute verstärkt brauchen:
- Crossmediale Strategien, die von Ankerformaten her denken und die Inhalte systematisch und kontinuierlich ausspielen.
- Exzellente Inhalte (Text, Grafik, Design), die dem aufgeschriebenen Wissen und Meinen der Welt eine originäre Perspektive hinzufügen, die wirklich neu sind.
- Vor allem aber: Ideen, die zum Ziel und zur Marke passen – aus Sicht der Zielgruppe.
Fazit: Wer in der Kommunikation denkt, plant und entscheidet – bleibt unersetzlich.
KI ist ein Werkzeug. Und wie jeder Hammer baut es keine Hütte von allein.
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