Der deutsche Softwarekonzern SAP streicht laut Medienberichten seine Frauenquote – und dies als Reaktion auf die US-Politik. Dort ist ein Anti-Wokeismus entstanden, der nun – mit Donald Trump als Präsident – vom Weißen Haus aus das Land umkrempelt. Der politische Kulturkampf, der auch hierzulande tobt, ist längst globalisiert.

Zunächst zeigt der Fall SAP exemplarisch, was ich in meinem Artikel Das Reputationsdilemma beschrieben habe: In polarisierter Öffentlichkeit wird jede Positionierung potenziell zur Zwickmühle. Haltung zeigen gilt als moralischer Imperativ – gleichzeitig drohen politische oder ökonomische Reaktionen. Unternehmen stehen zwischen den Erwartungen progressiver Milieus, der politischen Realität in Absatzmärkten und der Skepsis breiter Bevölkerungsteile. Wer heute Diversity propagiert oder von ihr ablehnt, kann morgen Ziel von Shitstorms oder Boykottaufrufen sein – von links wie von rechts.

SAP bewegt sich nun zurück – möglicherweise aus Compliance-Gründen, wohl aber auch aus betriebswirtschaftlichem Kalkül. Doch genau hier greifen die Nebenwirkungen: Der vermeintlich stille Rückbau einer Diversity-Maßnahme erzeugt ein lautes Echo. Denn auch das Unterlassen wird politisch gelesen. Das Unternehmen riskiert in Europa Empörung und in den USA wirkt es opportunistisch. Wie groß der Nettoimagegewinn hier wirklich ist, lässt sich kaum ermessen. Vielleicht auch wird dergleichen in Europa achselzuckend zur Kenntnis genommen – weil die Zeit moralisierender Politik vielfach Sachzwängen weicht.

Die Lehre? Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass sie mit jedem Schritt – ob laut oder leise – Haltung kommunizieren. Und dass diese Haltung nicht nur eine Reaktion auf Politik ist, sondern selbst Politik macht. Wer nachhaltig führen will, braucht eine Strategie, welche die immense Polarisierung hierzulande, in Europa und der Welt bedenkt – und die von vornherein mögliche Sanktionen oder Kosten einkalkuliert. Kommt also, wie Bertold Brecht es formulierte, das Fressen vor der Moral? Und wenn nicht: Auf wie viel Fressen sind Unternehmen bereit, für Moral zu verzichten?


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert