Die Demokratie ist anstrengend. Sie ist eine Zumutung. Denn sie schützt nicht nur die Meinungen, die wir teilen, sondern auch jene, die wir für falsch, dumm oder unmoralisch halten. Gerade in hitzigen Debatten wird oft gefordert, bestimmte Meinungen zu verbieten oder zu unterdrücken – und die Extremismuskeule zu schwingen. Doch dabei ist wichtig:

  • Präzise Auslegung der fdGO: Bevor jemand als Extremist bezeichnet wird, sollte geprüft werden, ob die Aussage tatsächlich gegen die Grundordnung verstößt.
  • Keine unnötige Ausgrenzung: Was nicht justiziabel ist, sollte nicht künstlich ausgeschlossen werden. Im Zweifel sollte eine fdGO-konforme Auslegung einer Meinungsäußerung Vorrang haben.

Doch wo liegt die Grenze zwischen einer unliebsamen, vielleicht sogar moralisch fragwürdigen Position – und echter Extremismus, der gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung (fdGO) gerichtet ist? Wichtig ist:

Zwei Grundtypen unliebsamer Meinungen

Nicht jede unbequeme oder provokante Meinung ist extremistisch. Vielmehr lassen sich unliebsame Positionen in zwei Kategorien unterteilen:

1. Extremistische Positionen

Extremismus beginnt dort, wo Meinungen die Grundlagen der Demokratie selbst angreifen. Wer beispielsweise Grundrechte bestimmten Gruppen verwehren oder die Abschaffung freier Wahlen fordert, verlässt den Rahmen der fdGO. Beispiele für extremistische Positionen sind:

  • „Schwarze Menschen sind immer und überall schlechter als weiße Menschen.“
  • „Deutscher kann nur sein, wer deutsche Eltern hat.“
  • „Freie und faire Wahlen gehören abgeschafft.“
  • „Grundrechte gelten nicht für Pädophile.“
  • „Opposition ist illegal.“
  • „Behinderte sollten abgetrieben werden.“
  • „Deutschland soll ein islamischer Staat werden, geführt von einem Kalifen.“
  • „Klimaleugner dürfen nicht demonstrieren.“
  • „Frauen dürfen nicht arbeiten oder nicht den gleichen Lohn bekommen wie Männer.“
  • „Homosexuelle dürfen nicht wählen.“
  • „Medien dürfen nur mit Genehmigung der Behörden veröffentlichen.“
  • „Gerichtsurteile sind nur mit Zustimmung des Justizministers gültig.“

Solche Positionen greifen die Grundpfeiler der Demokratie an. Sie sind nicht nur unliebsam, sondern gefährlich – und müssen entsprechend eingeordnet und bekämpft werden.

2. Nicht-extremistische, aber kontroverse Positionen

Daneben gibt es eine Vielzahl an Meinungen, die zwar provozieren oder spalten, aber nicht per se extremistisch sind. Sie mögen unbequem sein, vielleicht sogar unmoralisch erscheinen – aber sie sind von der Meinungsfreiheit gedeckt. Beispiele sind:

  • „Zuwanderung soll begrenzt oder verhindert werden.“
  • „Nur qualifizierte Einwanderer sollen aufgenommen werden.“
  • „Flüchtlinge soll nicht in Deutschland, sondern in der Nähe des Konfliktgebietes geholfen werden.“
  • „Nicht-Deutsche sollen nach Möglichkeit in ihre Herkunftsländer zurückkehren.“
  • „Deutschland soll aus der EU austreten.“
  • „Der Euro soll abgeschafft werden.“
  • „Die Türkei soll nicht der EU beitreten.“
  • „Gendergerechte Sprache ist unzweckmäßig oder / und unschön.“
  • „Die Homo-Ehe soll abgeschafft werden.“
  • „Deutschland soll aus der NATO austreten.“
  • „Die Bundeswehr soll abgeschafft werden.“
  • „Die Ukraine soll keine militärischen Hilfen aus Deutschland erhalten.“
  • „Es gibt keinen (menschengemachten) Klimawandel.“
  • „Klimapolitik sollte sich auf Anpassung statt Vermeidung konzentrieren.“
  • „Atomkraft ist sinnvoll und notwendig.“

Solche Positionen mögen bei vielen auf Widerspruch stoßen, sie können auch als moralisch fragwürdig empfunden werden. Aber sie sind nicht extremistisch – und müssen in einer Demokratie ausgehalten und diskutiert werden.

Wie geht man mit unliebsamen Meinungen um?

1. Umgang mit kontroversen, aber nicht-extremistischen Meinungen

Demokratie lebt vom Streit. Auch Meinungen, die wir für falsch oder unsinnig halten, dürfen geäußert werden. Ein konstruktiver Umgang mit solchen Positionen könnte so aussehen:

  • Grundsatz: „Ich bin zwar nicht Deiner Meinung, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Du sie äußern darfst.“
  • Nachfragen: „Habe ich Dich richtig verstanden? Du meinst also X, Y, Z?“
  • Klare Haltung zeigen: „Ich bin anderer Meinung, weil A, B, C. Was meinst Du dazu?“
  • Diskurs ermöglichen: „Du darfst das sagen, und es ist wichtig, dass wir uns darüber streiten.“

2. Umgang mit extremistischen Positionen

Extremistische Positionen, die gegen die fdGO gerichtet sind, erfordern eine andere Reaktion. Denn hier geht es nicht mehr um Meinungsvielfalt, sondern um den Schutz der Demokratie selbst. In solchen Fällen gilt:

  • Keine Normalisierung: Extremistische Positionen dürfen nicht einfach als „andere Meinung“ durchgehen.
  • Grenzen setzen: „Diese Position greift die Grundwerte unserer Demokratie an – das kann ich nicht akzeptieren.“
  • Nicht argumentieren, wenn zwecklos: Extremisten suchen oft keine ehrliche Debatte. Hier gilt: „Wer argumentiert, verliert.“

Der Irrweg der übermäßigen Ausgrenzung

Ein häufiger Fehler im politischen Diskurs ist die reflexhafte Ausgrenzung unliebsamer, aber nicht-extremistischer Meinungen. Aussagen wie:

  • „Das darfst Du nicht sagen!“
  • „Du hast gerade rassistisch / frauenfeindlich / menschenverachtend gesprochen!“
  • „Du bist ein alter weißer Mann / Westler / junger Mensch / alter Mensch, also kannst Du gar nicht Recht haben!“
  • „Wer gegen Multikulturalismus / Non-Binarität / die EU ist, irrt auch bei X, Y und Z!“
  • „Diese Aussage erinnert an Hitler / Mussolini / Stalin – also ist sie automatisch falsch!“

führen selten zu einer produktiven Debatte.

Besonders ärgerlich: Unliebsame, aber nicht-extremistische Meinungen werden behandelt, als wären sie extremistisch. Das ist nicht nur ein grober Denkfehler, sondern widerspricht auch dem Kern von Meinungsvielfalt, Pluralismus und Demokratie.

Diese Ausgrenzung ignoriert Argumente und verhindert jede Verständigung, jeden Disput, jede Debatte. Meinungen verschwinden so in den Untergrund.

Bei den Ausgegrenzten wachsen Wut, Enttäuschung und Radikalisierung – schließlich bricht man ihnen das zentrale Versprechen der Demokratie: Gehör zu finden. Wer sich so ausgeschlossen fühlt, sucht neue Plattformen – oft am Rand der Gesellschaft.

Demokratie ist Zumutung

Demokratie heißt, Meinungen zu ertragen, die man ablehnt, die man vielleicht für unmoralisch, gefährlich oder abstoßend hält. Sie bedeutet Streit, oft auch Frustration. Ich spreche aus Erfahrung: Seit 20 Jahren engagiere ich mich politisch – und war fast immer in der Minderheit.

Die Stärke der Demokratie liegt darin, nicht nur angenehme, sondern auch unbequeme und heftig widersprochene Meinungen zu schützen. Zugleich zieht sie klare Grenzen zum Extremismus.

Die Kunst der demokratischen Debatte besteht darin, das Fundament der Demokratie zu verteidigen und zugleich Meinungsvielfalt zuzulassen – auch wenn sie provoziert.

Das gilt nicht nur für Bürger, sondern auch für Unternehmen. Und nicht nur für ihre Medienarbeit, sondern ebenso für ihre interne Kommunikation.


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