Authentizität ist ein gefragtes Schlagwort in der Unternehmenskommunikation. Ständig wird gefordert, Kommunikation habe authentisch zu sein. Doch was bedeutet das eigentlich? Und ist es wirklich immer erstrebenswert, uneingeschränkt authentisch zu sein?
Die Bedeutung von Authentizität
Authentizität bedeutet, sich ursprünglich und unverstellt auszudrücken – also so, wie man wirklich ist. Es ist letztlich ein anderes Wort für Wahrheit: im Sinne von Ursprünglichkeit. In der Unternehmenskommunikation gibt es zwei Ebenen der Wahrheit:
- Die Wahrheit über eine Organisation – ihr Denken, ihr Sprechen, ihren Alltag.
- Die Kommunikation über diese Organisation.
Je weiter diese Ebenen auseinanderklaffen, desto unauthentischer wirkt Kommunikation.
Die Gefahr der Unauthentizität
Eine Kommunikation, die zu weit von der erlebten Realität abweicht, führt zu Irritationen. Menschen, die die Organisation kennen, nehmen sie folglich als verstellt, künstlich, verkrampft, gemacht wahr. Dies kann Misstrauen erzeugen und zu einer negativen Wahrnehmung führen – besonders wenn hinter der Kluft aus Wahrheit und Kommunikation ein Manipulationsversuch vermutet wird. Johann Wolfgang von Goethe brachte es treffend auf den Punkt: „Man merkt die Absicht und ist verstimmt“ (aus dem „Torquato Tasso“).
Die Fallstricke der Über-Authentizität
Doch auch zu viel Authentizität birgt Risiken. Denn:
- Es ist oft nicht klar, was die „wahre“ Identität einer Organisation eigentlich ist. Erst beim Versuch, sie zu Papier zu bringen, wird deutlich, dass es verschiedene Wahrnehmungen gibt.
- Authentizität ist subjektiv: Unterschiedliche Generationen, Abteilungen und kulturelle Hintergründe können sehr verschiedene Vorstellungen davon haben, was „echt“ ist. Zumal der Charakter einer Organisation sich wandelt, im Fluss ist, und darum gar nicht leicht „auf den Begriff“ zu bringen ist.
- Schonungslose Offenheit kann Organisationen angreifbar machen. Nicht alles, was wahr ist, muss zwingend kommuniziert werden. Manches ist unzweckmäßig; und auch Organisationen müssen sich nicht „selbst ans Messer liefern“.
- Zu viel Authentizität kann Unternehmen unprofessionell oder naiv erscheinen lassen. Ein Unternehmen muss angemessen kommunizieren – nicht wie ein betrunkener Teenie auf einer Party. Erwartungen von Stakeholdern zu ignorieren, ist selten zielführend.
Authentizität mit Augenmaß
Sollte man also gar nicht erst authentisch sein? Doch – aber mit Bedacht. Ein kluges Maß zwischen Echtheit und strategischer Kommunikation ist der Schlüssel:
- Zu viel Unauthentizität fördert Zynismus und Spott.
- Zu viel Authentizität kann zu Verletzlichkeit und Missverständnissen führen.
Der richtige Weg liegt in einer abgewogenen, die Nahbarkeit vermittelt, ohne sich in Widersprüche zu verstricken oder sich ungewollt angreifbar zu machen. Hierbei hilft es, bewusst interpretationsoffen, gleichsam unpräzise zu kommunizieren – um verschiedene Deutungen zu ermöglichen. Diese Kunst fördert auch den Zusammenhalt, das Konsensgefühl und die Wahrnehmung einer ursprünglichen Kommunikation. Authentizität sollte also kein Dogma sein, sondern ein gut durchdachtes Ziel der Kommunikation, das Glaubwürdigkeit und strategische Klugheit miteinander verbindet.
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