Was macht Bullshit schlimmer als Lüge? Diese Frage wirft Harry Frankfurt in seinem klassischen Essay „On Bullshit“ auf, den er 1986 veröffentlichte. Bullshit, das ist für Frankfurt nicht weniger als eine Lüge, sondern perfider und unberechenbarer, weil den Urhebern von Bullshit schlicht egal ist, ob ihr Gesagtes wahr ist oder falsch ist. Bullshit entsteht aus dem Bedürfnis, Kommunikation einfach nur abzusondern, einer „Plappertendenz“ (Rolf Dobelli), deren Gebrauchswert oder Ästhetik, wenn überhaupt, Zufall ist.

In der heutigen Unternehmenskommunikation, insbesondere im Zeitalter von KI in der Content-Entwicklung, lassen sich leicht Parallelen zu Frankfurts Beobachtungen ziehen. Viele moderne Inhalte, wie beispielsweise die allenthalben zu lesende Nachhaltigkeitsprosa, sind oft Ausdruck unreflektierten Greenwashings. Immer wieder werden im Content Marketing oder in Nachhaltigkeitsberichten richtige und falsche Informationen zu einer glatt polierten, gut aussehenden Oberfläche verarbeitet. KI ohne hinreichende Qualitätskontrolle wird, so meine Prognose, zu einer ganze Flut von – unerkanntem – Bullshit führen. Neue Formen und Möglichkeiten der Hybris finden ihre Bühne.

David Graebner greift in seinem Werk „Bullshit Jobs“ dieses Phänomen auf. Unter anderem beschreibt er darin die „box tickers“: Das sind Personen, die nur dokumentieren, ohne dass deren Dokumentation einen Wert schafft. Das wissen diese Personen selbstverständlich, und werden darüber krank. Diese Art von Arbeit ist ein Paradebeispiel dafür, wie ganze Existenzen im Strudel des Bullshits versinken: Der Burnout als Bullshit Overload.

Dabei ist klar: Bei Nachhaltigkeitsberichterstattung und ESG-Standards wird es ohne ein Mindestmaß an intellektueller Arbeit kaum möglich sein, glaubwürdige und fundierte Berichte zu erstellen. Die Risiken von Zynismus, Reputationsverlust, Heuchelei und sogar Bußgeldern sind hoch.

Was lernen wir daraus? Letztendlich bleibt alles beim Alten: Wer kommunizieren muss, kann immer noch selbst entscheiden, wie wahrhaftig das sein und wie viel Wert das für wen haben soll. Nicht jede Gelegenheit, sich durch stumpfe Pflichterfüllung und die gedankenlose Anwendung von Instrumenten am Bullshitting zu beteiligen, muss genutzt werden.


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